Was ist Wildnispädagogik?
So wie alle Naturvölker, alle Jäger- und Sammlerkulturen waren auch wir ganz früher auf eine unvorstellbar tiefe und vielschichtige Weise mit der Natur vertraut. Nicht nur mit unserem Verstand, sondern auch mit unserem Gefühl und unseren Instinkten. Im Laufe der Zeit ist uns all dieses fremd geworden. Wissenschaftler sprechen heutzutage von einem Natur-Defizit-Syndrom. Zusammengefasst eine zunehmende Entfremdung der Natur und die sich daraus ergebenden negativen Folgen für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Doch für eine gesunde individuelle Entwicklung sind neben Sozialkontakten vor allem eine ausgewogene Ernährung, genügend Schlaf sowie Naturkontakte von grosser Bedeutung.
Welche Zielgruppen sprechen wildnispädagogische Angebote an?
- Kinder und Jugendliche, die neugierig und naturverbunden sind, die den intensiven Zugang zur Natur suchen und sie auf ganz besondere Weise entdecken möchten
- Kinder und Jugendliche, die Lust haben ihre innere Einstellung zu verändern und nicht mehr gegen die Natur sondern mit der Natur und der Umwelt zu leben. Wir kennen alle die Sätze, „es ist zu kalt, zu heiß, es regnet, es schneit, draussen stürmt es“. Wenn wir anfangen diese Dinge als Ereignis zu sehen, welche spannend sind und die es zu erkunden gilt, haben wir einen grossen Schritt gemacht zurück zu unseren Wurzeln. Regenkleidung an und raus an die frische Luft.
„Um zu gesunden (...) heranzuwachsen und auch so zu bleiben, brauchen wir genügend Zeit, in der wir mit der „wilden“ Natur interagieren und spielen, in ihr neugierig, wachsam und lebendig sein können und dabei entdecken, wie wir dort hineinpassen und wie wir mit unserer biologischen Welt verbunden sind“ (Jon Young et al. 2010).
Warum können wildnispädagogische Angebote meinem Kind gut tun?
In der Wildnis-Pädagogik wird die Tatsache, dass jede und jeder Einzelne unterschiedliche Interessen, Neigungen und Fähigkeiten besitzt und sich in verschiedenen Bereichen „auskennt“, wahrgenommen und wertgeschätzt.
- Das trägt dazu bei, die eigenen Potentiale zu erkennen und neue Fähigkeiten zu erlernen
- Gleichzeitig wird auch das eigene Selbstbewusstsein, die eigene Selbstachtung und Selbstwahrnehmung gestärkt
- Außerdem wird jede und jeder dazu ermutigt, selber Lehrer zu sein und das erworbene Wissen und die eigenen Fähigkeiten an andere weiterzugeben
- Es ist ein System, was uns wieder näher mit der Natur verbindet, alte Urinstinkte wieder erwachen lässt und uns hilft das Leben, den Alltag und unsere persönliche Umwelt besser zu verstehen.
Welche Ziele verfolgt die Wildndispädagogik?
- Die Förderung von Achtsamkeit gegenüber dem Leben, einem Verständnis für die komplexen Zusammenhänge in der Natur und das Entwickeln einer Verbundenheit zwischen Mensch und Natur, aber auch zwischen Mensch und Mensch
- Methoden und Techniken zu vermitteln die helfen, kreativ mit der Angst vor Wildnis umzugehen, indem aufs Neue eine Verbindung mit der Natur hergestellt wird
- Raum dafür zu schaffen, in dem Unsicherheiten und Ängste und eigene Themen ausgesprochen werden dürfen
- Eigene Grenzen zu erkennen und diese in einem sicheren Rahmen auszuweiten
- Zu lernen, sich „draußen“ wieder wohl zu fühlen, es sich gemütlich, bequem und kuschelig zu machen und das möglichst ohne Hilfsmittel und zu jeder Jahreszeit
- Wieder in seinem eigenen natürlichen Umfeld heimisch zu werden
- Ein tiefgreifendes Verständnis für die uns umgebene Natur wiederzuentdecken – ein Verständnis, wie es viele Ureinwohner auch heute noch weltweit besitzen. Um dieses zu erreichen, muss man gewisse Fähigkeiten und Fertigkeiten des Überlebens besitzen und sich zudem gut auskennen
- Den Kindern und Jugendlichen zu helfen, eigene Ressourcen zu erkennen und neue Fähigkeiten zu erlangen
Was erwartet die Kinder in diesem Angebot?
- Wir erlernen Fähigkeiten und Fertigkeiten für das Leben und Überleben in der Wildnis
- Tier- und Fährtenkunde
- Vögel und das natürliche Alarmsystem
- Pflanzen und deren vielfältige Verwendung
- Natürliche Gefahren und Wetterkunde
- Bäume, Holz und deren Nutzung (Feuer machen, Hütten bauen, schnitzen)
- Ökologie, Gemeinschaft und Verantwortung
- Wissen traditioneller Völker (Geschichten erzählen, das Eingebundensein in die Natur, Respekt gegenüber allen Lebenwesen, Momente dee Stille, Dankbarkeit)
Neben Spaß und Abenteuern werden die Kinder und Jugendlichen in folgenden Bereichen gefordert und gefördert:
- Teamwork
- Kommunikation,
- Aufmerksamkeit,
- Dankbarkeit,
- Geduld,
- gesunder Menschenverstand,
- Selbstvertrauen,
- Respekt gegenüber uns selbst, den Anderen und der Natur
„Die Alten wussten, dass das Herz eines Menschen, der sich der Natur entfremdet, hart wird. Sie wussten, dass mangelnde Ehrfurcht, Wertschätzung von allem Lebendigen und allem, was da wächst, bald auch die Ehrfurcht und Wertschätzung vor den Menschen absterben lässt. Deshalb war der Einfluss der Natur, der die jungen Menschen feinfühlig machte, ein wichtiger Bestandteil ihrer Erziehung.“
Luther Standing Bear, Lakota Indianer, 1868 – 1939